452 Xxü. §. 9. Gleichzeitige Schwächung Frankreichs und des Papstthums.
hat freilich sein roher und träger Sohn Wenzel wieder umgestürzt
oder verfallen lassen. Doch blieb Böhmen noch immer eines der
am meisten vorgeschrittenen deutschen Länder. Schwerer mußten es die
Marken empfinden, daß die feste und weise Hand Kaiser Karl's
nicht ntehr die Regierung führte. Sie kamen in die Hände Sieg-
ln und's, der aber viel zu sehr mit der Erwerbung der ungarischen Krone
beschäftigt war (er hatte die Erbtochter von Ungarn geheirathet) und seine
deutschen Länder schmählich aussaugen und verkommen ließ. Aber dieser
jammervolle Zustand sollte für die Mark Brandenburg nur Einleitung
und Uebergang sein für eine desto schönere und bedeutungsvolle Zu-
kunft, die mit dem Eintritt des glorreichen und gesegneten hohenzoller-
schen Hauses begann. Unfähig, die Marken selber zu verwalten, in be-
ständiger Geldverlegenheit und dem Burggrafen Friedrich mannig-
fach verpflichtet, übergab Siegmund dem Hohenzoller Friedrich,
Burggraf von Nürnberg, die Mark Brandenburg, erst nur pfandweise,
dann 1415 als eignes Kurfürstenthum, ihm und seinen Erben mit allen
Rechten eines deutschen Reichsfürsten und Erzkämmerers. Damals
ahnte Siegmund schwerlich, wie schnell sein eigner Stamm ver-
löschen und wie hehr und gewaltig der königliche Baum erwachsen
werde, dessen erstes Reis er damals in den brandenburgifchen Boden
senkte.
§. 9. Gleichzeitige Schwächung Frankreichs und des
Pap st th ums.
Schwerlich würde Deutschland den großen Umschwung seiner
Verfassung, da es aus einem Lebenstaat zu einer Fürsten- und Stüdte-
republik sich umgestaltete, so ungestört haben vollziehen können, wären
nicht seine beiden alten Widersacher, Frankreich und die Päpste, voll-
ständig nach einer andern Seite in Anspruch genommen und selbst
in einem bedenklichen Rückgang ihrer Macht begriffen gewesen. Frank-
reich war in einen schweren Krieg mit England verwickelt; denn
der König Eduard Iii. behauptete nach dem Aussterben der
Hauptlinie der Capetinger (1328), ein näheres ^Anrecht auf
den französischen Thron zu haben als die Seitenlinie der Valois, und
da nun König Philipp Vi. von Valois die englischen Besi-
tzungen in Frankreich angriff (fast das ganze südwestliche Frank-
reich gehörte damals dem englischen Könige), so entspann sich
ein blutiger und langwieriger Krieg, der hauptsächlich auf fran-
zösischem Boden ausgefochten wurde und das französische Reich
mehr als ein Mal an den Rand des Verderbens brachte. In
der furchtbaren Schlacht von Cressy 1346 sollen elf französische
Prinzen und 1200 Ritter umgekommen sein. In der Schlacht von
Poitierö 1356 wurde König Johann, der seinem Vater Philipp
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_mannig- Friedrich Siegmund_dem_Hohenzoller_Friedrich Friedrich Burggraf_von_Nürnberg Siegmund Eduard Philipp_Vi Philipp Cressy König_Johann Johann
Extrahierte Ortsnamen: Frankreichs Ungarn Brandenburg Brandenburg Frankreichs Deutschland Frankreich England Frankreich Frank-
Xxiv. §.11. Das Ende der Gegenreformationen rc.
555
genen Blicken ein neuer Hoffnungsstern für Deutschlands Zukunft
auf. In Brandenburg war 1640 der große Hohenzoller Friedrich
Wilhelm hervorgetreten, den man mit Recht den großen Kurfürst
genannt hat. Er fand sein Kurfürstenthum in einem Zustande, daß
es fast unmöglich schien, dies ausgemergelte, bis auf den letzten Tropfen
ausgesogene, aller seiner Reichthümer und der Hälfte seiner Bewohner
beraubte Land noch wieder zu einem wirthlichen und mächtigen Reichs-
gebiet zu machen. Friedrich Wilhelm übernahm diese Aufgabe
und hat ste durchgeführt. Er begann mit der Bildung eines eignen
festbesoldeten, wohlgeschulten Heeres, welches den Schweden wie den
Kaiserlichen, die in gleichem Frevelmuth im Brandenburgischen zu Hausen
pflegten, Achtung gebot. Dann schloß er einen Waffenstillstand mit
den Schweden und brachte, während die übrigen deutschen Länder noch
unter der blutigen Geißel des Krieges seufzten, allmälig Ruhe und
Ordnung in sein zerrüttetes Land zurück. Er wußte Ostpreußen,
welches er noch von Polen zu Lehen trug, in ein unabhängiges Besitz,
thum zu verwandeln und verband es mit Brandenburg und mit Ven
westlichen Provinzen Cleve, Mark und Ravensberg, sammt den im osna-
brückschen Frieden gewonnenen Stiftern Minden, Halberstadt und Mag-
deburg nebst Hinterpommern durch weise Einrichtungen zu einem
Staatsganzen, welches allmälig zu dem Ansehen und der Selbständig-
keit einer europäischen Großmacht sich entwickeln sollte. Kraft, Frische,
Gedeihen, Erneuerung des Wohlstandes, eine Achtung gebietende
Macht zu Lande und zur See, das Alles finden wir in Friedrich
Wilhelm's Gebieten, wie sonst nach dem dreißigjährigen Kriege in
keinem deutschen Lande weiter. Er ist aber nicht bloß der Gründer
der preußischen Größe, sondern auch der Wiederhersteller deutscher
Ehre. Denn er war der einzige und der erste deutsche Fürst, welcher
den übermüthigen Schweden und Franzosen wieder nachdrückliche Be-
weise deutscher Tapferkeit und Kriegsüberlegenheit gab, so am Rhein,
so in Polen, vor Warschau, ganz absonderlich aber in der ruhmreichen
Schlacht bei Fehrbellin 1675.
§. 11. Das Ende der Gegenreformationen und der re-
ligiösen Bedrückungen.
Der dreißigjährige Krieg, sahen wir, war keineswegs ausschließlich
oder auch nur vorzugsweise ein Religionskrieg gewesen. Eben so sehr,
ja mehr noch war er von allem Anfang an ein Kampf um die kai-
serliche Macht, dann ein Kampf um den schwedischen Einfluß, endlich
ein ganz gewöhnlicher Räuberkrieg, wo es sich um Nichts weiter han-
delte, als dem Feinde einen Strich Land abzugewinnen. Schon gleich
anfangs, mehr noch gegen das Ende hin dienten im kaiserlich wallen-
steinischen Heer ebensoviel Protestanten, wie im mansfeldischen und
anhaltischen Heerhaufen Katholiken. Nach Gustav Adolf's Tode
wurde das wilde Durcheinander noch allgemeiner und ärgerlicher,
am Ende kam's so weit, daß in den meisten Gefechten Katholiken auf
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Extrahierte Personennamen: Friedrich
Wilhelm Friedrich Wilhelm Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Friedrich
Wilhelm's Friedrich Gustav_Adolf's Gustav
Xxii. §. 8. Die neue Staatskunst der luxemburgischen Kaiser. 4o1
Rathhäuser, die kühnen Thore und Thürme, die öffentlichen Gebäude
mit ihrem überreichen Schnitzwerk und ihren vielbewunderten Kunst-
schätzen mannigfacher Art. Kurz, in den Städten entfaltete sich theils
unter dem Schutze einsichtiger Fürsten, größtentheils aber in völligster
Freiheit jener ganze Wunderbau germanischen Bürgerthums, der
unser deutsches Volk weit über alle anderen Völker erhoben hat.
Es ist leicht begreiflich, daß bei solchem Neichthum innern Lebens
das deutsche Volk sich nicht sehr um die Abwesenheit oder Schwäche
der Kaisermacht bekümmerte. Wenn auch die Fürsten oder einzelne
Corporationen, welche durch übermächtige Gegner Noth litten, die Her-
stellung eines kräftigen kaiserlichen Regimentes wünschten und auch
einmal den Versuch machten, an des „faulen" Wenzel Stelle einen
andern, thätigern Fürsten, den Ruprecht von der Pfalz zum Kai-
ser zu erheben (1400—1410), so blieb doch das Volk im Ganzen von
diesem Wechsel unberührt. Früher würde doch wenigstens ein Kampf
zwischen den beiden Gegenkaisern und ihren Anhängern entstanden sein;
jetzt fiel es fast Niemandem ein, sich entweder für den Wenzel oder
den Ruprecht zu entscheiden und Partei zu nehmen. Man kümmerte
sich um den Einen so wenig, wie um den Andern. Selbst als Wen-
zel mehrere Male in die Gefangenschaft seines eignen Bruders Sieg-
mund gerieth, griffen die deutschen Reichsfürsten nicht ein, wenig-
stens nicht in kräftiger und entscheidender Weise. Was die Luxemburger
im Innern ihrer Erbländer thaten, das ging ja, so war die Stim-
mung, keinen der deutschen Fürsten etwas an. Und doch war ihre
Wirksamkeit in jenen östlichen Gebieten Deutschlands von der größten
Wichtigkeit und Bedeutung. Sie haben diese slavischen Länder erst
eigentlich für Deutschland erobert, zu vorwiegend deutschen Län-
dern gemacht. So wenig Karl Iv. für Deutschland gethan hat, so
thätig und einsichtig sorgte er für sein liebes Böhmen. Da wußte er
vor allen Dingen die öffentliche Sicherheit und die Gerechtigkeitspstege
wieder herzustellen, da war er unablässig beschäftigt, Wege zu bahnen,
Brücken und Straßen anzulegen, Flüsse schiffbar zu machen, den Land-
bau, Handel und Gewerbe zu beleben. Deutsche Ansiedler zog er in's
Land, begünstigte ihre Sprache, ihre Gesetze, ihre Sitten, ihre betrieb-
samen Unternehmungen. Gelehrte und Künstler fanden an seinem
Hofe ehrenvolle Aufnahme. Die böhmischen Städte strahlten von
Prachtbauten, Kirchen und Palästen, die er aufführen ließ, in Prag er-
richtete er (1348) eine Universität, neben Heidelberg die erste in Deutsch-
land. Und wie für Böhmen, so sorgte er mit gleichem Eifer für
Schlesien, für die Lausitz, für Brandenburg, denn alle diese weiten
Landschaften hatte er theils durch Heirath, theils durch Erbvertrag oder
Ankauf zu seinem Böhmen und Mähren hinzugezogen, so daß sich sein
Erbreich im Osten Deutschlands fast von der Donau bis zur Ostsee
erstreckte. Viel von dem, was dieser thätige und geistreiche Fürst, der
leider nach seiner welschen Art nur zu sehr den „materiellen Interessen"
dienstbar war, für das Wohl seiner Länder gegründet und aufgebaut,
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TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T47: [Friedrich Wilhelm Kaiser König Iii Kurfürst Jahr Preußen Brandenburg Johann], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T7: [König Kaiser Rudolf Friedrich Sohn Böhmen Haus Karl Ludwig Albrecht], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf]]
TM Hauptwörter (200): [T18: [Mark Brandenburg Land Albrecht Friedrich Kaiser Jahr Markgraf Haus Markgrafe], T151: [König Volk Kaiser Reich Fürst Land Gott Wilhelm Deutschland Frieden], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T188: [Handel Industrie Ackerbau Land Viehzucht Bewohner Gewerbe Bevölkerung Stadt Bergbau], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind]]
Extrahierte Personennamen: Wenzel Karl_Iv Karl
Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Deutschland Deutschland Prag Heidelberg Deutsch- Brandenburg Deutschlands Donau Ostsee